Donnerstag, 3. Oktober 2013

Sag' nicht, was man nicht hören will. Sonst erklärt man dich für verrückt


Die Affäre Mollath – ein Whistleblower in der Psychiatrie


Nach Auffassung der Bundesverfassungsrichter saß Gustl Mollath verfassungswidrig in der Psychiatrie. Das höchste deutsche Gericht entsprach der Beschwerde des 56-Jährigen. Das Landgericht Bayreuth und das Oberlandesgericht Bamberg hätten ihre Entscheidungen nicht gut genug begründet. Der Fall Mollath ist aber auch ein Paradebeispiel für das Versagen der Politik.

Wer sich in Deutschland kritisch über die Justiz äußert, muss mit Konsequenzen rechnen. So musste es auch die Münchner Psychiaterin Hanna Ziegert erfahren, die nach einem Fernsehauftritt in der Sendung „Beckmann“ nun von der Staatsanwaltschaft München I wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. In der Beckmann-Sendung vom 15. August 2013 ging es um den Fall Gustl Mollath. Die Fachärztin, die seit über 30 Jahren bundesweit forensisch-psychiatrische Gutachten erstellt hat, sagte darin unter anderem, dass die Auswahl eines Gutachters durch Staatsanwaltschaft und Gericht sich manchmal danach richte, welches Ergebnis hinsichtlich der Schuldfähigkeit der Auftraggeber wünscht. Peng! Das saß. Für soviel Mut gab es auch postwendend die Belohnung: eine Ablehnungsverfügung. Und die klebt nun der versierten Fachärztin in der Vita.

Das Bundesverfassungsgericht hat – und damit zurück zum Thema – festgestellt, dass Gustl Mollath verfassungswidrig in der Psychiatrie saß. Das ist eine deutliche Rüge für die bayerischen Richter. Offensichtlich haben sich die Gerichte damals keine große Mühe gegeben, als sie sich mit dem Schicksal Mollaths auseinandersetzen mussten. Vielleicht, aber das ist jetzt reine Verschwörungstheorie, gab es aber auch ganz andere Gründe, Mollath als geisteskrank zu erklären und so seinen Äußerungen die Glaubwürdigkeit zu rauben.

Der Ausgangspunkt des Falls Mollath war ein Strafurteil im August 2006. Vom Vorwurf der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung im Rahmen einer Auseinandersetzung mit seiner damaligen Frau wurde er als schuldunfähig freigesprochen. Lediglich die Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus wurde gerichtlich angeordnet. Mollath landete vor allem deshalb dort, weil er sich – so das Gericht – sehr merkwürdig verhielt. Er glaubte nämlich ernsthaft, dass seine Frau an einem riesigen Schwarzgeschäft von Geldverschiebungen in die Schweiz beteiligt war. Seine damalige Frau arbeitet bei der Hypo-Vereinsbank und ist tatsächlich öfter persönlich in die Schweiz gefahren um Kundengelder zu transportieren. Die Richter kam damals zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte eine gravierende psychische Erkrankung habe, vermutlich eine Psychose. Die Prognose für Mollaths Gesundung sei überdies sehr ungünstig, da vom Patienten keinerlei Krankheitseinsicht vorläge. Vielleicht deshalb, weil er gar nicht krank war?
 

Die Anzeigen, die Gustl Mollath gegen seine Ehefrau wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche erstattete, wurden seitens der Staatsanwaltschaft bis heute nie wirklich beachtet. Interessant wird die Geschichte aber im Jahr 2012, als ein Gutachten, das am 17. März 2003 von der Revisionsabteilung der betroffenen Hypo-Vereinsbank vorgelegt wurde, ans Licht der Öffentlichkeit kam. Darin heißt es sinngemäß, dass sich alle nachprüfbaren Behauptungen des Herrn Mollath als zutreffend herausgestellt hatten. Die Behauptungen, die Gustl Mollath schon damals vortrug, damit aber als „geisteskrank“ abgestempelt wurde. Bei Mollath habe sich ein in mehreren Bereichen paranoides Gedankensystem entwickelt.

Dass das besagte Gutachten Justitzministerin Beate Merk (CSU) schon seit mehreren Monaten vorlag und nicht beachtet wurde, ist schon ein Skandal. Gustl Mollath hätte also, bei sofortigem politischem Handeln, viel früher freigelassen werden müssen. Irgendwie erinnert diese – meiner Ansicht nach – bewusst manipulierte Geschichte an die Machenschaften kommunistischer und sozialistischer Diktaturen. Wer etwas weiß, das er nicht wissen darf, wird mundtot gemacht, indem man ihn für geisteskrank erklärt und wegsperrt. Anwalt Michael Kleine-Cosack spricht deshalb im Bezug auf die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts von einer „Ohrfeige“ für Justizministerin Merk. Irgendwie ein schöner Gedanke. Aber Vorsicht: Wer eine Ministerin ohrfeigt, könnte – zumindest von einigen bayerischen Gericht – zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verdonnert werden. Ganz gleich, ob sie die „Watsch’n“ verdient hätte, oder nicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen