Die Affäre Mollath – ein
Whistleblower in der Psychiatrie
Nach
Auffassung der Bundesverfassungsrichter saß Gustl Mollath verfassungswidrig in
der Psychiatrie. Das höchste deutsche Gericht entsprach der Beschwerde des
56-Jährigen. Das Landgericht Bayreuth und das Oberlandesgericht Bamberg hätten
ihre Entscheidungen nicht gut genug begründet. Der Fall Mollath ist aber auch
ein Paradebeispiel für das Versagen der Politik.
Wer sich in Deutschland kritisch über die Justiz
äußert, muss mit Konsequenzen rechnen. So musste es auch die Münchner
Psychiaterin Hanna Ziegert erfahren, die nach einem Fernsehauftritt in der
Sendung „Beckmann“ nun von der Staatsanwaltschaft München I wegen Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt wurde. In der Beckmann-Sendung vom 15. August 2013 ging es um
den Fall Gustl Mollath. Die Fachärztin, die seit über 30 Jahren bundesweit
forensisch-psychiatrische Gutachten erstellt hat, sagte darin unter anderem,
dass die Auswahl eines Gutachters durch Staatsanwaltschaft und Gericht sich
manchmal danach richte, welches Ergebnis hinsichtlich der Schuldfähigkeit der
Auftraggeber wünscht. Peng! Das saß. Für soviel Mut gab es auch postwendend die
Belohnung: eine Ablehnungsverfügung. Und die klebt nun der versierten
Fachärztin in der Vita.
Das Bundesverfassungsgericht hat – und damit zurück
zum Thema – festgestellt, dass Gustl Mollath verfassungswidrig in der
Psychiatrie saß. Das ist eine deutliche Rüge für die bayerischen Richter.
Offensichtlich haben sich die Gerichte damals keine große Mühe gegeben, als sie
sich mit dem Schicksal Mollaths auseinandersetzen mussten. Vielleicht, aber das
ist jetzt reine Verschwörungstheorie, gab es aber auch ganz andere Gründe,
Mollath als geisteskrank zu erklären und so seinen Äußerungen die
Glaubwürdigkeit zu rauben.
Der Ausgangspunkt des Falls Mollath war ein
Strafurteil im August 2006. Vom Vorwurf der Körperverletzung,
Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung im Rahmen einer Auseinandersetzung mit
seiner damaligen Frau wurde er als schuldunfähig freigesprochen. Lediglich die
Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus wurde gerichtlich
angeordnet. Mollath landete vor allem deshalb dort, weil er sich – so das
Gericht – sehr merkwürdig verhielt. Er glaubte nämlich ernsthaft, dass seine
Frau an einem riesigen Schwarzgeschäft von Geldverschiebungen in die Schweiz
beteiligt war. Seine damalige Frau arbeitet bei der Hypo-Vereinsbank und ist
tatsächlich öfter persönlich in die Schweiz gefahren um Kundengelder zu
transportieren. Die Richter kam damals zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte
eine gravierende psychische Erkrankung habe, vermutlich eine Psychose. Die
Prognose für Mollaths Gesundung sei überdies sehr ungünstig, da vom Patienten
keinerlei Krankheitseinsicht vorläge. Vielleicht deshalb, weil er gar nicht
krank war?
Die Anzeigen, die Gustl Mollath gegen seine Ehefrau
wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche erstattete, wurden seitens der
Staatsanwaltschaft bis heute nie wirklich beachtet. Interessant wird die
Geschichte aber im Jahr 2012, als ein Gutachten, das am 17. März 2003
von der Revisionsabteilung der betroffenen Hypo-Vereinsbank vorgelegt wurde,
ans Licht der Öffentlichkeit kam. Darin heißt es sinngemäß, dass sich alle
nachprüfbaren Behauptungen des Herrn Mollath als zutreffend herausgestellt
hatten. Die Behauptungen, die Gustl Mollath schon damals vortrug, damit aber
als „geisteskrank“ abgestempelt wurde. Bei Mollath habe sich ein in mehreren
Bereichen paranoides Gedankensystem entwickelt.
Dass das besagte Gutachten Justitzministerin Beate
Merk (CSU) schon seit mehreren Monaten vorlag und nicht beachtet wurde, ist
schon ein Skandal. Gustl Mollath hätte also, bei sofortigem politischem
Handeln, viel früher freigelassen werden müssen. Irgendwie erinnert diese –
meiner Ansicht nach – bewusst manipulierte Geschichte an die Machenschaften
kommunistischer und sozialistischer Diktaturen. Wer etwas weiß, das er nicht
wissen darf, wird mundtot gemacht, indem man ihn für geisteskrank erklärt und
wegsperrt. Anwalt Michael Kleine-Cosack spricht deshalb im Bezug auf die
Auffassung des Bundesverfassungsgerichts von einer „Ohrfeige“ für Justizministerin
Merk. Irgendwie ein schöner Gedanke. Aber Vorsicht: Wer eine Ministerin
ohrfeigt, könnte – zumindest von einigen bayerischen Gericht – zur
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verdonnert werden. Ganz
gleich, ob sie die „Watsch’n“ verdient hätte, oder nicht.